SRF spioniert im Wohnzimmer

Leutschenbach senden Daten an Google

Am Computer ausspioniert zu werden, daran haben wir uns gewöhnt. Nun sind wir selbst im Wohnzimmer vor Datenkraken nicht mehr sicher. Wie SRF auf Anfrage bestätigt, spioniert das Schweizer Fernsehen jene Zuschauer aus, die einen Smart-TV mit sogenannter HBB-TV-Technologie verwenden.

HBB-TV steht für Hybrid Broadcast Broadband TV und ist die zweite Generation des veralteten Teletext-Dienstes. Die neue Technologie liefert beim Drücken des «Red Button» auf der Fernbedienung Zusatzinformationen zum Programm. Beim kürzlichen Eröffnungsspiel der WM etwa eine Übersicht aller Spitznamen brasilianischer Spieler.

Aber nicht nur das. Der rote Knopf löst, für den Zuschauer unbemerkt, auch ein Signal aus, das SRF darüber informiert, welchen Sender der Zuschauer sieht. Und auf welchen Folgesender er danach wechselt. Dem SRF ist es so möglich, Zuschauerprofile zu erstellen. «Die Auswertung der Messsysteme erfolgt SRG-intern durch die Forschungsabteilungen», sagt Mediensprecher Daniel Steiner. «Die Identifikation der Nutzer ist nicht möglich.»

Die Technologie ist löchrig wie ein Emmentaler

Was dann passiert, ist besonders heikel. In einer Testphase von Ende Dezember 2013 bis Ende Juni 2014 lässt das SRF die Zuschauerdaten von Google Analytics auswerten. Künftig setzt das Schweizer Fernsehen auf Konkurrenzsysteme des US-Unternehmens Comscore und der Schweizer Net-Metrix.

Die SRG macht im Impressum ihres HBB-TV-Diensts auf die Datensammlung aufmerksam. Für den eidgenössischen Datenschützer Hanspeter Thür ist das nicht genug. Sein Informationsbeauftragter Francis Meier sagt: «Jeder muss vor der Nutzung eines Dienstes klar darauf hingewiesen werden, was mit seinen persönlichen Daten geschieht. Nicht erst, wenn er sich durch mehrere Seiten durchgeklickt hat, um den Hinweis dann unerwarteterweise im Impressum zu finden.» Zudem hat der Zuschauer keine Möglichkeit, die Datensammlung zu stoppen und trotzdem HBB-TV zu nutzen.

HBB-TV findet in der Schweiz immer grössere Verbreitung. Für dessen Nutzung sind mindestens 5 Mbit/s und ein Smart-TV mit Internetanschluss nötig. Darüber verfügen neun von zehn aktuell verkauften Fernsehgeräten. Nebst SRF bieten deutschsprachige Sender wie ARD, Arte oder Sat 1 HBB-TV an.

Die Datensammlung mittels HBB-TV-Technologie war den Elektronikmagazinen «Technology Review» und «c’t» erstmals aufgefallen. Der Sender Arte reagierte nach der Berichterstattung umgehend und stellte die Analyse durch Google ein.

Umstritten ist HBB-TV auch deshalb, weil die Technologie sehr löchrig sein soll. So ist es gemäss dem US-Magazin «Forbes» Forschern der Universität Stanford gelungen, sich innert Minuten mit einfachster Technik via Smart-TV, ausgestattet mit HBB-TV, Zugriff auf persönliche PC in Heimnetzwerken von Privathaushalten zu verschaffen.

 B. Skinner, S. Luchetta

Erschienen in der SonntagsZeitung vom 15. Juni 2014.