SonntagsZeitung, 4.4.2010

Der Videospieler ist der Controller

Mit Microsofts revolutionärem Videospielsystem Natal steht noch mehr Bewegung ins Haus – «Game over» für dicke Kinder?

«Project Natal» lässt einen lang gehegten Traum im Videogaming wahr werden: Das Zusatzgerät zur Xbox 360, das Microsoft im Herbst in den Handel bringen will, soll sämtliche Fernsteuerungen überflüssig machen. Der Spieler selbst ist der Controller und lenkt die Spielfigur direkt mit seinen Körperbewegungen und seiner Stimme. «Natal wird definitiv für viel Bewegung vor dem TV sorgen», sagt Mila Dimic von Microsoft Schweiz.

Vorgestellt wurde das System mit dem Codenamen Natal erstmals vor einem Jahr an der Computerspielmesse E3 in den USA. Mit ihm will der Softwareriese im Markt der Fitnessgames gegenüber Nintendo Boden gutmachen. Mit dem Bewegungscontroller ihrer Wii-Konsole bringen die Japaner nämlich Zielgruppen zum Tanzen und Springen, von denen die Konkurrenz nur träumen kann. Mit der kürzlich lancierten Bewegungssteuerung Move versucht jetzt auch Playstation-Hersteller Sony nachzuziehen.

Eine Kamera erkennt das Gesicht des Spielers

Das 30 Zentimeter lange Natal-Kistchen wird an die Xbox 360 angeschlossen und erfasst Spieler, die 80 Zentimeter bis vier Meter vor den TV agieren, in 3-D. Die Sensoren auf der Unterseite nehmen die Tiefe des Wohnzimmers unter allen Lichtbedingungen wahr. Die Kamera nimmt auf, wie viel Licht die Spieler reflektieren. Anhand der Helligkeit kann das System erkennen, wie weit die Person entfernt ist. Die Kamera ermöglicht auch Gesichtserkennung, und das 3-D-Mikrofon ist in der Lage, Stimmen zu lokalisieren. Es kann Sprachbefehle der Spieler umsetzen und erfasst ihre Emotionen anhand der Stimmlage.

Was für Games uns die «revolutionäre Art zu spielen» bescheren wird, ist noch geheim. 80 Prozent der Publisher sollen indes an neuen Titeln auf der Grundlage von Natal arbeiten.

Zu reden gab in diesem Zusammenhang Ende 2009 ein Patent namens «Avatar individualized by physical characteristic», das Microsoft in den USA angemeldet hat. Darin ist eine Methode beschrieben, mit der Spieler ihre Gesundheitsdaten wie Körpergrösse und Gewicht mit der virtuellen Spielfigur verbinden. Zudem sind laut Patent gewisse Level einiger Spiele nur für Gamer spielbar, die bestimmte Gesundheitskriterien erfüllen. Heisst: Wer dick ist, darf nicht spielen.

Sofort kursierte die Vermutung, das Patent sei für Natal angemeldet worden. Microsoft selbst hält sich bedeckt: «In welchem Zusammenhang das Patent einge-reicht worden ist, haben wir bisher nicht bekannt gegeben.» Auch die Annahme, der Softwareriese wolle für dicke Kinder das Gamen einschränken, könne man nicht bestätigen.