Spassfaktor Haushalt

An der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin sorgt die elektronische Haushaltstechnik für Aufsehen

Die Miele-Pressefrau berührt mit ihren Fingerspitzen die spiegelglatte Bedieneroberfläche des Kochherds. «Sehen Sie, sobald ich die Kochplatte anschalte, geht oben die Dunstabzugshaube auf Empfang. Das Licht geht an, und sie saugt Luft ab. Dabei passt sie die Saugleistung automatisch an die Kochstufe an», sagt sie und schaut uns erwartungsvoll an. «Das nennen wir Connectivity, die Kommunikation zwischen Kochfeld und Dunstabzug.» Es fehlt nicht viel, und wir applaudieren.

Was wir an der internationalen Funkausstellung IFA in Berlin zwei Tage vor Eröffnung in Sachen Haushaltstechnik zu sehen bekommen, lässt uns staunen. Die Geräte von heute sind beileibe nicht mehr tumbe Arbeitstiere mit Motor und einer Wasserleitung. Mit ihrem Innenleben aus Chips, Sensoren und Software sind sie intelligente Objekte und passen auf Elektronikmessen. Mit viel Marketing helfen die Anbieter nach, um ihre Geräte als Hightech-Gadgets zu positionieren.

So treffen wir nebst dem runden Sauger-Roboter Roomba von iRobot auf Backöfen, die Techniken wie 3-D-Heissluft, Hydrobacken oder «Cookcontrol» beherrschen. Das Highlight ist «Culisense», der erste vollautomatische Backherd: Einfach den Braten, die Lasagne oder die Wähe reinschieben, den Rest erledigt Meister «Culisense» mit Gewichtssensoren und Automatikprogrammen selbst. «Damit haben Sie einen phantastischen Koch zu Hause», schwärmt die Pressefrau des Herstellers AEG Electrolux. Dass «Culisense» nicht das «Brot- und Butter-Geschäft» der Firma ist, versteht sich bei einem Preis von 2500 Euro von selbst.

Den Stromverbrauch von Portugal einsparen

Auch Kühlschränke sind heute nicht einfach niedrig temperierte Vorratsräume. Wer durch die «Home Appliance»-Hallen der IFA wandert, bekommt den Eindruck, es gebe einen Trend zur Grossfamilie: Zweitürige «Side-by-Side»-Kästen mit Dimensionen von Kleiderschränken und Oberflächen aus Holz oder Edelstahl konkurrenzieren sich gegenseitig. Sie übertrumpfen sich mit Technologien wie «Anti Bacteria», «Bioshield», «No Frost» oder «Vita Fresh». Letzteres hat bei verschiedenen Herstellern Eingang gefunden: Es gibt trockene Fächer und solche mit einer gewissen Feuchtigkeit. Manche Lebensmittel wie Fleisch halten länger in trockener Umgebung, manche Obstsorten haben es lieber etwas feucht. So bleibt der Inhalt länger frisch. Und ob Miele, Siemens oder andere, alle setzen auf «No Frost». Die Abtauautomatik soll Eisbildung verhindern, womit mühsames Abtauen entfällt.

Aufgefallen sind auch Staubsauger von Dyson oder Dirt Devil, die in Form und Farbe mehr an schnittige Statussymbole erinnern denn an Teppichreiniger. Technisch der letzte Schrei sind Akku-Staubsauger oder «der weltweit erste Hybrid» von Miele: Man kann ihn wahlweise mit Kabel oder Batterie nutzen, «wie man das vom Handy kennt», so die Sprecherin. Daneben gibts Infrarot-Toaster und individuell programmierbare Kaffeevollautomaten.

Das alles frisst Energie. «Energie-Effizienz», «Ecoplus» oder «Öko» lauten denn die Schlagworte, die als Verkaufsargumente ins Feld geführt werden. So rechnet Siemens in einer Diaschau vor, dass rund 50 Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf die Haushalte fallen, davon wiederum die Hälfte von Haushaltgeräten verbraucht wird: «Würden in Europa nur die energieeffizientesten Geräte eingesetzt, könnte der Stromverbrauch von ganz Portugal eingespart werden.»

Deshalb brüstet sich die Verkaufstrainerin bei Siemens etwa mit einem Geschirrspüler, der nur 7 Liter Wasser für einen Spülgang verbraucht. Rund 12 Liter sind es bisher bei einem modernen Spüler im Schnitt. Auch die Pressedame von Electrolux schreitet, nach den Highlights gefragt, schnurstracks zu den Öko-Modellen: «Mit unseren Öko-Lavamaten kann bis zu 80 Prozent Energie gespart werden.» In Verbindung mit speziellen Kaltwaschmitteln wird die Wäsche bei 15 Grad gewaschen – die Energie zur Wassererwärmung auf 40 Grad entfällt. Die Hälfte spart man mit dem Öko-Lavatherm-Wäschetrockner dank Wärmepumpentechnologie und 25 Prozent mit dem Geschirrspüler Öko Favorit Express.

Nicht viel mehr als eine Vision scheint nach wie vor der «vernetzte Haushalt» zu sein. Seit nach dem Internethype im Jahr 2000 jeder Hersteller von Haushaltelektronik an der Hypervernetzung teilnehmen wollte und Waschmaschinen und Kaffeeautomaten mit Netzwerkschnittstellen auf den Markt kamen, sind heute die meisten Anbieter wieder ausgestiegen. «Der Kunde will das nicht, und die verschiedenen Systeme waren inkompatibel», heisst es bei Siemens.

Die Sciencefiction-Demo fällt leider ins Wasser

Noch einziger Anbieter in diesem Segment ist nach eigenen Angaben Miele. «Miele@Home» heisst das Konzept, das die unterschiedlichsten Geräte über eine zentrale Steuereinheit kontrollieren lässt. «So startet abends der Geschirrspüler, die Küchenbeleuchtung schaltet sich automatisch aus, und im Wohnzimmer schliessen die Rollläden, während Musik leise aus den Lautsprechern erklingt», steht im Pressetext. Die Nachfrage sei steigend, wird versichert: «Der Verbraucher ist sich durch die Digitalisierung heute an so was gewohnt.» Demonstrieren kann uns die Pressefrau das Sciencefiction-Szenario aber leider nicht, weil auf dem Stand noch kein Strom fliesst.

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Haushaltgeräte, die für Unterhaltung sorgen: Mit ihrem Innenleben aus Chips, Sensoren und Software sind sie intelligente Objekte foto: DPA/keystone

Verdoppelung

Seit Freitag hat die internationale Funkausstellung IFA in Berlin ihre Tore geöffnet. Letztes Jahr konnten die Besucher der grössten Unterhaltungselektronik-Messe nebst Handys und Flachbild-TVs erstmals auch Elektro-Haushaltgeräte bewundern. Heuer wurde die Ausstellungsfläche dafür fast verdoppelt. Die IFA dauert bis 9. 9.