Smarte Helfer im Grossstadtdschungel

Immer häufiger weisen uns Smartphones den Weg – Navi-Hersteller wie TomTom reagieren mit Zusatzdiensten Saugnapf-Navis sind von gestern.

Navi-Apps machen heute aus Smartphones ebenso leistungsstarke und praktische Verkehrslotsen – für wenig Geld oder gar gratis. Die Hersteller bleiben zunehmend auf ihren Geräten sitzen. Doch sie bleiben gelassen. «Wir haben keine Angst vor der neuen Konkurrenz», sagt Richard Piekaar, Manager Investor Relations beim holländischen Marktführer TomTom. Die Navigation am Mobiltelefon sei für Gelegenheitsnutzer. Wenn es um hochwertige Routenführung gehe, stosse man hier schnell an Grenzen, sagt Piekaar. Das sei ähnlich wie bei den Kameras: «Kamerahandys haben die digitale Spiegelreflexkamera auch nicht überflüssig gemacht.»

Will man jedoch dem deutschen Computermagazin «c’t» glauben, «sind Smartphones mit der richtigen Navigationssoftware herkömmlichen Navis nicht nur ebenbürtig, sondern in vielen Punkten gar überlegen». Sie sind – im Gegensatz zu Saugnapf-Navis – auch beim Velofahren geeignet oder um Städte zu Fuss zu erkunden, und sie können mit Apps beliebig ausgebaut werden. Kurz: Die smarten Navis sind gut.

Etwa Nokias Ovi-Maps-Navigation; sie ist auf allen aktuellen Geräten mit Touchscreen und integriertem GPS-Empfänger gratis vorinstalliert und lässt sich auf vielen älteren Modellen im Ovi Store herunterladen. Sie kann das meiste, was richtige Navis können, und liefert auch Staumeldungen in Echtzeit. Seit der Einführung im Januar wurde die Navigation, die 70 Länder abdeckt, über 10 Millionen Mal heruntergeladen. Gemäss Tests soll Ovi Maps die Konkurrenz besonders in Sachen Fussgängernavigation und Reiseführer um Längen schlagen.

Neue Konkurrenz erhalten TomTom, Garmin und Navigon auch von Google. Smartphones mit Android-Betriebssystem (ab Version 1.6.) haben seit Juni die GoogleMaps-Navigation an Bord. Im Vergleich mit richtigen Navis ist diese Gratislösung indes recht funktionsarm. Zudem muss man ständig mit dem Internet verbunden sein, weil Google nur den Teil der Karte lädt, der gerade benötigt wird. Dennoch: Für gelegentliche Navigation ist das gut genug.

Zu vollwertigen Navis werden Android-Handys mit der MobileNavigator-Software von Navigon; die Europakarte kostet 130 Franken. Der etablierte Hersteller bietet die App auch für iPhones und Windows-Mobile-Handys an. Derzeit machen die Downloads 10 bis 15 Prozent des Geschäfts aus. Auch TomTom hat eine 130 Franken teure iPhone-App im Portfolio, die pro Quartal 100 000-mal gekauft wird, und Falk den Falk-Navigator Europe.

Angesichts dieser Auswahl setzen immer mehr Nutzer für die Routenführung aufs Smartphone. Entsprechend schrumpft der Markt der Navigationsgeräte in Europa und in den USA. In der Schweiz sind Navis gar die grossen Verlierer im Detailhandel: Im ersten Halbjahr 2010 brachten sie 14 Prozent weniger ein als im gleichen Vorjahreszeitraum, schreibt das Marktforschungsinstitut GfK Switzerland. Auch TomTom setzte im letzten Quartal mit Navis zehn Prozent weniger um als im Jahr zuvor; Stückzahlen werden nicht mehr kommuniziert. Insgesamt gingen sie zurück: In der ersten Jahreshälfte 2010 wurden in Europa 5,9 Millionen Stück verkauft – eine Million weniger als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.

Dennoch sind die Holländer zuversichtlich. Der Grund für das schrumpfende Endkundengeschäft liegt laut Richard Piekaar weniger im geringeren Absatz, sondern im Preiszerfall: «Wir verkaufen mehr portable Geräte denn je, aber die Preise sind massiv gesunken.» Der durchschnittliche Verkaufspreis dürfte auch in diesem Jahr weiter fallen, um etwa 15 Prozent. Während ein Navi im Jahr 2006 durchschnittlich 550 Franken kostete, zahlt man heute im Schnitt noch knapp die Hälfte. Einsteigermodelle gibt es ab 100 Franken. Mit kostenpflichtigen Diensten und Inhalten versuchen die Platzhirsche, diese Einbussen wettzumachen. So kosten bei TomTom die vierteljährlichen Karten-Updates rund 50 Franken im Jahr. Dazu kommen Echtzeit-Services wie das Wetter am Zielort, Radarfalleninfo, lokale Suche und Verkehrsinfodienste, insbesondere HD Traffic.

Neue Märkte in Nordafrika, Südamerika und Indien

Dieser TomTom-Service überträgt die Verkehrsdaten nicht über UKW, sondern per Mobilfunk, und nutzt für die Verkehrsinfos die Bewegungsdaten von Handynutzern: Bewegen sich in einer Zelle viele Handys kaum, ist dort vermutlich Stau. Gemäss der deutschen Stiftung Warentest liefert der Dienst genauere Infos als die älteren TMC und TMCpro und ist bei extremen Verkehrslagen auch deutlich wirkungsvoller. Mit 75 Franken im Jahr ist er teuer.

«Inhalt und Dienste sind ein stark wachsendes Business», so Piekaar. Das junge Geschäftsfeld beschert dem Unternehmen heute mit 88 Millionen Euro rund einen Viertel des gesamten Umsatzes; im Vorjahresquartal waren es 72 Millionen. Auch die Einnahmen mit Autoherstellern wie Fiat, Renault und Toyota konnte man im abgelaufenen Quartal fast verdoppeln. Und TomTom erschliesst neue Märkte in Nordafrika, Südamerika und Indien.

Die Ausweitung des Geschäfts auf eine breitere Basis als nur Hardware zeitigt Erfolg: TomTom konnte den Gewinn im letzten Quartal deutlich steigern, gegenüber dem Vorjahr um 69 Prozent auf 34 Millionen Euro; der Gesamtumsatz ging lediglich um zwei Prozent zurück.

Für die Zukunft glauben sich die Hersteller gut gerüstet: «Geräte- und Mobilfunklösungen werden weiterhin koexistieren. Wir haben für alle Nutzergruppen ein passendes Produkt», heisst es bei Navigon. Laut Piekaar von TomTom wird in 20 Jahren in jedem Auto ein Navigationsgerät eingebaut sein, und auch jedes Handy werde navigieren können. «Wir können nur gewinnen.» Das Saugnapf-Navi hingegen könnte zum Nischenprodukt mutieren.