Schwitzen statt sitzen

Wii-Konsole und das Balance Board haben einen Boom bei Fitnessspielen ausgelöst – und machen erwiesenermassen Alte gesünder. 

Die Zeiten, in denen Videospieler auf dem Sofa sitzen, die Daumen drehen und zur richtigen Zeit den passenden Knopf drücken mussten, sind vorbei. Jetzt sollen sie sich mit Fitness-Programmen abrackern und dank Yoga-Übungen die Beweglichkeit verbessern. Spätestens seit der Einführung von Nintendos Wii-Konsole heisst es Joggen statt Hocken. Die gute Nachricht: Die Spiele motivieren tatsächlich. Und auch Senioren können davon profitieren.

Mit seinem Start vor zwei Jahren löste «Wii Fit» der japanischen Spielefabrik Nintendo einen regelrechten Fitness-Boom aus. Als im letzten Herbst das Nachfolgeprogramm «Wii Fit Plus» erschien, balancierten, hüpften und tanzten weltweit bereits 22,5 Millionen Menschen vor dem TV. Der Erfolg ist hauptsächlich auf das «Balance Board» zurückzuführen, ein Zusatzgerät, das wie eine Personenwaage ohne Gewichtsanzeige aussieht. Stellt sich die Spielerin aufs Brett, wird ihre Körperhaltung mittels sensibler Drucksensoren ermittelt und die Informationen in Echtzeit an die Wii-Konsole weitergegeben.

Angespornt durch Nintendos Erfolg, begannen viele andere Hersteller Sporttitel zu entwickeln, hauptsächlich für die Nintendo-Konsolen Wii und DS. Auch Electronic Arts hat mit «EA Sports Active» ein erfolgreiches Spiel auf dem Markt. «Interessant ist, dass sich auch Krankenkassen dafür interessieren», sagt EA-Sprecher Martin Lorber.

Vor allem Kinder lassen sich durch die Spiele animieren

Eling de Bruin, Privatdozent am Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich, begrüsst diesen Trend und ist überzeugt, dass er anhalten wird. Er schätzt besonders den hohen Aufforderungscharakter der Spiele: «Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Kinder durch virtuelle Tanz- und Fitnessspiele zu mehr Bewegung verführen lassen.» Ob das auch für Erwachsene gelte, sei indes kaum erforscht. Auch über den Trainingseffekt sei noch wenig bekannt.

Laut Josef Wiemeyer vom Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt hält sich dieser in Grenzen. Wöchentlich müsse man drei bis vier Stunden an der Konsole spielen, damit man eine Veränderung merke. Mit 300 Kalorien pro Stunde sei der Kalorienverbrauch beim Wii Boxen am grössten. Beim realen Sport würden aber immer mehr Kalorien verbrannt. Fraglich ist auch, ob Menschen motiviert sind, langfristig an der Konsole zu boxen oder zu joggen. «Wenn keine neuen Reize durch neue Spielvariationen gesetzt werden, könnte es langweilig werden», so de Bruin.

Grösseren Nutzen dürften digitale Sportspiele älteren Menschen bringen. So hat de Bruin in einer Studie mit Senioren die Gleichgewichtsspiele von «Wii Fit» mit herkömmlichem sensomotorischem Training verglichen, das die Balance und den aufrechten Gang fördern soll. Er wollte mit zwei Testgruppen herausfinden, wie effektiv die Balanceübungen auf dem Board sind, verglichen mit der klassischen Methode.

Das Ergebnis überrascht: «Bei der ‹Wii-Fit›-Gruppe hat sich die körperliche Leistungsfähigkeit mehr verbessert als bei der Vergleichsgruppe.» De Bruin führt das hauptsächlich auf die direkte Rückmeldung zurück: «‹Wii Fit› ist ein sehr sinnvolles Prinzip, weil die Ausführung genau überwacht wird und der virtuelle Trainer sofort Feedback gibt.»

Das virtuelle Tanzspiel mindert die Sturzgefahr

In einer anderen, noch unveröffentlichten Untersuchung liess er alte Menschen eine angepasste Version des Tanzmatten-Spiels «Dance Dance Revolution» ausführen. Wieder konnte er anhand von zwei Gruppen zeigen, dass das virtuelle Tanzspiel, das auch die Hirnleistung trainiert, sich letztlich positiv auf den Gang der Personen auswirkt. «Jene, die das Tanzspiel übten, zeigten ein deutlich besseres Gangbild als jene, die die klassischen Trainingsübungen machten.» Die Spiele können also das Körpergefühl fördern und die Sturzgefahr mindern. «Ein Einfluss aufs Hirn ist auf jeden Fall nachweisbar.»

Auch die Sportwissenschaft erforscht derzeit Fitnessspiele. So hat die Sporthochschule Köln herausgefunden, dass Leute, die Golf-Putting mit dem Wii-System lernen, sich gleich schnell verbessern wie Personen, die es real üben. «Video-Spiel-Training könnte in Zukunft konkurrenzfähig zu traditionellen Verfahren des Trainings werden, wie etwa mentalem Training», sagt der Kölner Sportwissenschaftler Thomas Heinen. Er kann sich auch vorstellen, dass künftige Spiele es möglich machen, reale Daten des Spielers zu importieren und sie auf eine virtuelle Figur zu übertragen. Der Spieler könnte dann den Avatar durch seine eigenen Bewegungen steuern: «So könnte es bei einem Trampolinspringer sinnvoll sein, zunächst mit einem Avatar in einem virtuellen Raum Bewegungen kognitiv zu üben.»

Diese Vision könnte schon im Herbst Realität werden, wenn Microsofts Natal in den Handel kommt (siehe unten). Das neuartige Spielkonzept wird mit Sicherheit daheim für noch mehr Schwitzen statt Sitzen sorgen.

Wii Fit Plus hat den Trend begründet. Gezielt lassen sich Yoga-Übungen und Muskeltraining an den persönlichen Fitnesszielen ausrichten. Persönliche Trainingspläne können aus bis zu 30 Übungen bestehen. Publisher: Nintendo; System: Wii; Preis: 160 Franken (inkl. Balance Board)

NewU Fitness First Mind Body

Der brandneue Titel enthält über 120 Übungen rund um Yoga und Pilates, darunter Atmungs-, Entspannungs- und Meditationstechniken. Die virtuellen Trainer stellen individuelle Programme zusammen. Das Spiel ist kompatibel mit dem Wii Balance Board und wurde in Zusammenarbeit mit Fitness First entwickelt, der grössten Fitnesskette der Welt.

Publisher: Black Bean Games; System: Wii; Preis: 50 Franken

Personal Trainer DS

Dieses Programm für Nintendo DS hilft Männern und Frauen in zwei verschiedenen Versionen beim Kalorienzählen und bei Muskel- und Straffungsübungen. Er erklärt sie anhand von Animationen, beim Ausführen der Übungen zählt der Personal Trainer mit. Allerdings ist das wegen des kleinen DS-Bildschirms weniger mitreissend als am Fernseher.

Publisher: Warner; System: Nintendo DS; Preis: 20 Franken

Mein Fitnesscoach

Die virtuelle Trainerin Maya stellt aus 500 Yoga-, Muskel- und Ausdauerübungen verschiedene Programme zusammen, allerdings gibt es keine Bewegungskontrolle. Es erinnert an Jane-Fonda-DVDs, einfach für die Konsole. Also eher ein Programm für sportlich Geübte; Einsteiger greifen besser zu einem Spiel mit mehr Feedback und Kontrolle.

Publisher: Ubisoft; System: Wii; Preis: 50 Franken

Dance Dance Revolution: Hottest Party 2

Zu rassiger Musik erscheinen auf dem Bildschirm vier Pfeile – links, rechts, oben unten – und es gilt, mit den Füssen das entsprechende Feld auf der mitgelieferten Tanzmatte zu treffen. Spezielle «Workout»-Modi verbinden Fitness mit Tanzspass. Nebst Hottest Party für Wii gibt es auch für die Xbox 360 einen «DDR»-Titel.

Publisher: Konami; System: Wii; Preis: inklusive Matte 90 Franken