Netflix weiss, wie Kunden es wollen

Kevin Spacey in «House of Cards»: Netflix wurde vom DVD-Verleiher zur TV-Station 

Um auf dem Schweizer Markt zu reüssieren, muss der US-Streamingdienst auf tiefe Preise setzen

Simone Luchetta

Netflix kommt in die Schweiz. Noch dieses Jahr soll es so weit sein, wie der ­US-Streamingdienst vergangene Woche verlauten liess. Während Serienfreaks darob völlig aus dem Häuschen sind, dürften viele andere vom Jubel überrascht sein, zumal Netflix weder Details zu den Inhalten noch zu den Preisen lieferte.

Warum die Aufregung so gross ist, erklärt ein Blick in die USA. Experten trauen der Firma aus Kalifornien nichts weniger zu, als das Fernsehen zu revolutionieren.

Angefangen hat Netflix 1997 als Online-Videothek. Die Gründer Marc Randolph und Reed Hastings starteten mit 30 Mitarbeitern und einer Auswahl von knapp 1000 Filmen, die sie auf DVD an ihre Abonnenten schickten. Als Besonderheit führten sie eine monatliche Flatrate ein, für die der Kunde beliebig viele Filme beliebig lange ausleihen konnte.

Erst vor sieben Jahren begannen die beiden, zusätzlich Blockbuster übers Internet zu streamen, und vor 3½ Jahren, im Dezember 2010, investierte Netflix erstmals mehr ins Streaminggeschäft als in den Versanddienst. Heute zählt der Service 48 Millionen Streamingabonnenten in 40 Ländern; die gut 35 Millionen US-Abonnenten machen in Spitzenzeiten ein Drittel des gesamten Datendurchsatzes aus.

Mit jedem DVD-Abonnenten, der zum Streamingkunden wird, ­verliert Netflix indes wegen hoher Lizenz- und Streaminggebühren Geld; das Magazin «Wired» schreibt von 4 statt 11 Dollar Profit pro Kunde. Um die geringere Marge wettzumachen, muss die Zahl der Streamingkunden immer noch stetig wachsen – im hart umkämpften Markt der Videoplattformen eine grosse Herausforderung. Amazon, Sony, Microsoft, Hulu, HBO, Apple und andere sind dazugekommen und bieten alle dieselben Filme an. Was also tun, um sich von den Mitbewerbern zu unterscheiden?

Politthriller, Frauendramen und Revivals bekannter Serien

Hastings nahm sich die grossen US-Kabelanbieter wie HBO und AMC zum Vorbild, die ihre Abonnentenzahlen mit eigenen Serien wie «The Sopranos» (1999) erstaunlich verbessern konnten. Als erste Netflix-Eigenproduk­tion startete 2013 «House of Cards» mit Oscar-Preisträger Kevin Spacey. Die Serie gewann drei Grammys. Es folgten neue Episoden der Comedyserie «Arrested Development», die Horrorserie «Hemlock Grove» und die gefeier­te Gefängnisreihe «Orange Is the New Black». Für 2014 ist die Veröffentlichung von zwei weiteren Serien geplant.

Dabei hat Netflix gegenüber anderen einen grossen Vorteil: Aufgrund des Streamingdaten weiss man genau, was die Kunden wünschen. Die Firma passt ihre Eigenproduktionen inhaltlich entsprechend an und hat Erfolg mit Politthrillern, Frauendramen und Neuauflagen bekannter Serien.

Netflix weiss indes nicht nur, was die Leute schauen, sondern auch, wie sie es am liebsten tun. Nebst dem Geschmack kennt die Firma also auch die Gewohnheiten ihrer Kunden, weiss, dass sie «Homeland» nicht nur mögen, sondern am liebsten vier Folgen nacheinander reinziehen, statt ins Bett zu gehen. Fernsehgeschichte geschrieben hat Netflix dann mit dem Streich, alle 13 Episoden von «House of Cards» gleichzeitig zu veröffentlichen. «Binge Watch­ing», also Fernsehgelage, nennt sich diese neue, netflixsche Art des TV-Schauens. Mit den Kenntnissen über das Nutzerverhalten kann Netflix seinen Kunden zudem hoch personalisierte Empfehlungen für Inhalte liefern – ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz.

Das alles macht Netflix für TV-Konsumenten interessant – und für Mitbewerber gefährlich. Noch ist wenig bekannt über die hierzulande gebotenen Inhalte – sie könnten aufgrund schwieriger Lizenzvereinbarungen wegen der Dreisprachigkeit einmal mehr enttäuschend ausfallen.

Auch über den Preis kann man nur spekulieren. In den USA liegt er für unbeschränktes, werbefreies Serien- und Filmschauen bei gut 7 Franken im Monat. Für dieses Geld kann man heute bei Swisscom, UPC Cablecom oder Apple knapp einen Film ausleihen, und Teleboy verlangt für den Seriendienst mit 15 Franken doppelt so viel im Monat. Sicher ist: Dank Netflix wird sich heuer viel im hiesigen TV-Markt tun.