Der iPad-Konter des Netbook-Erfinders

Asus-Chef Jerry Shen sucht verzweifelt eine Antwort auf Apples hippes Tablet – doch sein EeePad lässt auf sich warten

      

Jerry Shen spricht gern über Bambus und Design, Notebooks und den Umsatz seiner Firma Asus. Dieser sei in den letzten Jahren auf 7,5 Milliarden US-Dollar gewachsen, und man wolle in drei Jahren zu den Top-3-Notebook-Herstellern gehören. Weniger gern redet der Erfinder des Netbooks an dieser Pressekonferenz in Paris über die wirklich wichtige Frage: Wie lautet Asus’ Antwort auf Apples iPad?

Sicher ist Design bedeutsam, um aus der Masse von Notebooks herauszustechen. Sicher ist auch der Klang des präsentierten Highend-Gerätes NX90 mit Boxen von Bang & Olufsen exzellent. Jerry Shen mischte als Erster mit internetfähigen Mini-Computern zum Preis von zwei Paar Markenjeans den Markt auf. Jerry Shen brachte Millionen von EeePC unter die Leute, und er schuf die Produktekategorie «Netbooks». Doch viel brennender interessiert uns, wie dieser Herr Shen die Zukunft angehen will.

Neue Studien sagen den Mini-Notebooks nämlich eine düstere Zukunft voraus. Schuld ist das iPad, das Marktforscher zum Shootingstar der Zukunft küren, kaum ist es zwei Monate im Handel. Letzten Montag vermeldete Apple den Absatz von drei Millionen Stück – alle zwei Sekunden geht ein Flachrechner über den Ladentisch. Laut Forrester Research wird in den USA der Absatz von Tablets bereits in zwei Jahren höher sein als jener von Netbooks, und 2015 wird jeder vierte verkaufte PC ein Tablet sein.

Jerry Shen, Chef von weltweit gut 100 000 Mitarbeitern, bringt das alles nicht aus der Ruhe. Der freundliche Taiwanese, der auf der Bühne das bare Gegenstück zu Showman Steve Jobs abgibt, zeigt sich im Gespräch überraschend unbeschwert, fast jungenhaft. Er studierte Elektrotechnik und arbeitete zehn Jahre in diversen Forschungsabteilungen, bevor er 1994 bei der Firma Asustek Computer in Taipeh die Verantwortung für Motherboards, Grafikkarten, Desktops, Digital Home und das Server-Geschäft übernahm. Unter seiner Leitung wurde der Zulieferer Asus – der Name kommt vom geflügelten Pferd Pegasus – zum grössten Hersteller von Rechnerplatinen und Grafikkarten. Vor zwei Jahren übernahm er das Ruder von Firmengründer Jonney Shih.

Zusammen mit Shih hatte er 2006 die Idee eines Minirechners. «Uns war aufgefallen, dass alle Geräte für die meisten Anwendungen zu viel Leistung hatten, das macht sie teuer, stromhungrig und laut. Zweitens erkannten wir, dass im Zeitalter des Internets nicht mehr alle Rechenkraft im Computer stecken muss», sagt Shen. Im Herbst 2007 kamen die ersten abgespeckten Billig-PCs auf den Markt und waren innert einer halben Stunde ausverkauft. Sie lösten einen wahren Orkan in der Branche aus, alle grossen Hersteller zogen nach, und Asus entwickelte sich innert zweier Jahre vom Noname-Zulieferer zu einem bekannten Markenhersteller.

Aber man konnte den Vorsprung nicht halten. Schon ein Jahr später verkaufte Konkurrent Acer mehr Notebook-Zwerge. Noch hält Asus Platz zwei, wird aber hart bedrängt von HP und Dell – und neu auch von Apple.

Als wolle er vom iPad ablenken, hält Shen einen Prototypen des vor zwei Wochen angekündigten EeeTablets in der Hand, «unseren Kindle-Killer». Gut gelaunt zeigt er den kontrastreichen Schwarz-weiss-TFT-Bildschirm des Lesegeräts, der schnell auf Stiftbefehle reagiert, aber leider die Akku-Laufzeit auf zehn Stunden reduziert. Stolz ist er auf die eingebaute Kamera. Und auf den Preis von 200 Dollar. «Das wird das beste Weihnachtsgeschenk sein», sagt er und lächelt. Dabei hat Amazon unter iPad-Druck diese Woche den Preis für den Kindle um ein Drittel auf 190 Dollar gesenkt. Und Barnes & Nobles verbilligte seinen Nook auf 150 Dollar.

Angesprochen auf den drohende Wachstumsstop durch die Tablets, gibt sich Shen gelassen: «Netbooks sind billiger und zum Arbeiten, Tablets sind teuer und zum Konsumieren.» Die Zielgruppen würden sich höchstens zu zehn Prozent überschneiden. Shen will bis Jahresende acht Millionen Netbooks absetzen, iPad hin oder her.

Trotzdem hat auch Asus zu Beginn des Monats eine Design-Studie eines Anti-iPad vorgestellt, das EeePad. Das Neue daran: Es soll sich in eine physische Tastatur einklinken lassen, die eine Festplatte und einen Akku enthält; klappt man die beiden Teile zusammen, hält man ein komplettes Netbook in der Hand. Shen: «Damit bieten wir immer noch ein besseres Anwendungserlebnis als Tablets.»

Bei der Technik setzt Shen auf die grossen Player: Die Chips sollen von Intel kommen, das Betriebssystem von Microsoft. Asus hebt sich damit von der Masse der Mitbewerber ab, die ihre angekündigten Tablets mit speziellen Mobilchips und dem Betriebssystem Android ausrüsten. Shens Vorgehen erstaunt, zumal Asus sich mit Android erhebliche Lizenzierungskosten sparen könnte. «Wir prüfen in unseren Labors auch andere Varianten», sagt Shen und fügt an, dass Microsoft wider die offizielle Verlautbarung an einer Betriebssystem-Version für Flachrechner arbeite, die noch in diesem Jahr fertig sein soll.

Deutlich wird, dass Gerätehersteller wie Asus derzeit auf allen Hochzeiten tanzen – und abwarten müssen. Noch zeichnet sich nicht ab, in welche Richtung sich die iPad-Konkurrenten entwickeln werden – ob sich Android, das andere Google-Betriebssystem Chrome oder MeeGo von Nokia und Intel durchsetzen wird. Oder ob am Ende doch Windows, wie bei den Netbooks, gewinnt.

Wie viel einfacher hat es da Apple – oder seit dem Kauf von Palm auch HP. Apple-Chef Jobs, der Geräte, Programme und den Chip inhouse herstellt, ist nicht auf Dritte angewiesen – die perfekte Integration von Hardware und Software ist garantiert. Und sie – sowie die Qualität der Apps – ist es, die heute entscheidet, welches Bedienkonzept sich durchsetzt.

Dass Software angesichts von Cloudcomputing zunehmend auf Kosten der Hardware an Bedeutung gewinnt, weiss auch Jerry Shen. «Der Schlüssel sind Inhalte und Dienste. Wir stocken deshalb unsere 500 bis 1000 Entwickler um das Doppelte auf.» Zudem hat Asus Anfang Monat einen eigenen App-Store vorgestellt. Dieser lässt aber, wie das EeePad, noch Monate auf sich warten (siehe Kasten).

Viel Zeit für Apple, seinen Vorsprung auszubauen. Aber bis iPad-Klone auf den Markt sind, dürfte Jerry Shen noch ein paar Millionen Netbooks verkaufen. Und sicher auch ein paar Notebooks im Bambus-Design.

 

Die Offensive aus dem Hause Asus

Der Gerätehersteller aus Taiwan hat diverse Produkte im Köcher.

→ Das EeeTablet, ein digitales Lesegerät mit Kamera, wurde offiziell auf nächstes Jahr angekündigt. Laut CEO Jerry Shen soll es aber noch 2010 in den Handel kommen, in der Schweiz später. → Das EeePad ist ein Gegenvorschlag zum iPad ab 400 Dollar: Die Version mit 12-Zoll-Monitor soll vor Weihnachten eingeführt werden, der kleinere 10-Zöller im Frühling 2011. → Im Juli soll das EeeKeyBoard, eine Tastatur mit integriertem PC, in den Handel kommen – eineinhalb Jahre nach der Ankündigung.

→ Der Asus App Store soll 2011 starten, basierend auf Intels App-Up Center. Auf allen EeePCs mit Intel-Chip wird der Dienst vorin-stalliert sein, zunächst für Windows-, im nächsten Jahr auch für MeeGo-Geräte.

Die taiwanische Firma Asustek Computer wurde 1989 von vier abtrünnigen Mitarbeitern des Computerherstellers Acer gegründet. Die Firma stieg zu einem grossen Zulieferer der US-Computerindustrie auf. Ende der Neunzigerjahre begann sie, eigene Rechner herzustellen. 2007 brachte Asus mit dem EeePC das erste Mini-Notebook auf den Markt.