© SonntagsZeitung, 5.9.2010

Schöner kleiner Kasten mit Mini-Angebot

Steve Jobs will mit Apple-TV den Video-on-Demand-Markt erobern – die Fernsehsender machen nicht mit

In den USA kämpfen derzeit verschiedene Firmen darum, das Internet auf den Fernseher zu bringen: Google, Netflix, Microsoft, Amazon. Mit einer Neuauflage der Settop-Box Apple-TV, die CEO Steve Jobs diese Woche präsentierte, hat Apple den Kampf nun verschärft. Das überholte Gerät ist nur noch ein Viertel so gross wie das alte Modell, das sich nur mässig verkaufte. Der Preis wurde von 229 auf 99 Dollar gesenkt.

Man kann Filme und TV-Serien in HD-Qualität aus dem Internet abrufen und sie auf dem Fernseher ansehen. Serienepisoden kosten nur 99 Cent, Filme 4.99 Dollar. Darüber hinaus werden auch Inhalte vom beliebten US-Online-Videoverleih Netflix gestreamt.

Im Vorfeld jubelte die Webgemeinde das erhoffte Kistchen bereits als Wunderding hoch, das die Art des TV-Schauens grundsätzlich verändern werde. Doch Apple blieb deutlich unter den Erwartungen. Mit Fox und ABC konnte Jobs lediglich zwei Sender an Bord holen; die übrigen wie CBS, NBC liessen sich nicht auf die von Apple diktierte Tiefpreispolitik ein. «Wir glauben, dass die übrigen Studios das Licht sehen und zu uns an Bord kommen werden», sagte Jobs in San Francisco. Dafür gibt es keine Garantie. Die Studios sind vorsichtig, wenn es darum geht, ihre Inhalte auf neue Art zu verbreiten. Sie fürchten, die Kabelfirmen zu verärgern, die ihnen heute Milliarden für Filme zahlen.

Das US-Technikmagazin «Wired» kommt zum Schluss, dass Apple- TV den Kabelanschluss nicht ersetzen kann – «dieses ‹TV› hat zu wenige TV-Sendungen im Angebot». Kommt dazu, dass es in den USA bereits diverse Settop-Boxen gibt, die weniger kosten und ebenfalls Filme von Netflix streamen können.

Auch die zweite grosse Erwartung hat Jobs nicht erfüllt: einen App-Store für TV-Apps. Diese Verschmelzung von TV und Apple-Ökosystem wäre nötig gewesen, um im Wohnzimmer eine echte Alternative zum Kabelinhalt zu bieten. Gegenüber «Businessweek» sagte Jobs, dass ein App-Store folge, sobald die Zeit reif sei.

Bis dahin ist Apple-TV in der Schweiz weder relevant noch erhältlich. Video-on-Demand-Angebote gibt es bei Swisscom und Cablecom, aber das Angebot steigt (siehe Tabelle). So bietet die Schweizer Firma Acetrax mit 1500 Filmen die grösste Auswahl. Voraussetzung ist ein neuer Panasonic-TV; demnächst sollen auch Fernseher von LG und Samsung zugreifen können. Bei Redaktionsschluss meldete auch Philips eine Zusammenarbeit mit Diva Videoaccess AG. Mit neuen Philips-TVs können 400 Hollywood-Streifen einzeln (Fr. 3.90) geliehen werden. Weiter bieten auch die Spielkonsolen Xbox 360 von Microsoft und Sonys Playstation 3 Online-Videotheken.

Während alle Augen auf Apple gerichtet waren, kündigte Sony an der IFA in Berlin den für die Schweiz interessanteren iTunes-Gegner Qriosity an. Im Herbst soll dieser Musik- und Videodienst in Europa starten. Käufer eines neuen Sony-TVs, Blu-Ray-Spielers oder der Playstation 3 können auf das Angebot zugreifen. Qriosity («Curiosity») startet in der Schweiz «wahrscheinlich Ende 2010, Anfang 2011». Preise wurden keine genannt. 

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